Sandra Boser hatte zum Webtalk „Was macht Bildung und Schule erfolgreich“ eingeladen
Die örtliche Wahlkreisabgeordnete, bildungspolitische Sprecherin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Fraktion GRÜNE im Landtag, Sandra Boser, hatte sich am 10. Dezember 2020 bei einem öffentlichen WebTalk zum Thema: „Was macht Bildung und Schule erfolgreich“ mit der Bildungswissenschaftlerin Prof. Dr. Anne Sliwka von der Universität Heidelberg und dem Schulleiter Volker Arntz von der Hardtschule Durmersheim, Preisträger des deutschen Schulpreises 2020, ausgetauscht.
In den vergangenen Monaten haben die Schulen unter den Auswirkungen der Corona Pandemie Enormes leisten müssen. Doch bereits vor Corona sind die Herausforderungen an den Schulen deutlich geworden. Daher war es für Sandra Boser wichtiger denn je, mit Wissenschaft und Praxis über Strategien zu diskutieren, was Schule und Bildung auch in Zukunft erfolgreich machen werde. Bei dem gemeinsamen WebTalk wurde inhaltlich der Frage nachgegangen, was erfolgreiche Bildungssysteme und Schulen auszeichnen.
Zu den Arbeitsschwerpunkten der Bildungswissenschaftlerin Prof. Dr. Anne Sliwka zählen u.a. Schul- und Schulsystementwicklung in international vergleichender Perspektive, Lernen im 21. Jahrhundert, Diversität, Differenzierungen und Inklusion in Schulen sowie Bildung für Demokratie und Zivilgesellschaft. Neben ihrer Lehrtätigkeit arbeitet sie auch ehrenamtlich im wissenschaftlichen Beirat des Kultusministeriums von Baden-Württemberg mit.
Die Hardtschule Durmersheim von Rektor Volker Arntz wurde in diesem Jahr mit dem deutschen Schulpreis ausgezeichnet. Sie gilt als eine der Pioniere in Sachen digitalem Unterricht im Land. Gerade im Hinblick auf Schule in Corona-Zeiten bringt Volker Arntz viel Erfahrung aus der Praxis mit und weiß, wie die Verknüpfung von Präsenz- und Fernlernen erfolgreich gelingen kann. Derzeit sind 450 Schüler*innen, davon 18 Inklusionskinder, von der ersten bis zur zehnten Klasse an der Schule. Ab der Sekundarstufe ist die Ganztagsschule verpflichtend, davor offen. Es arbeiten 50 Lernbegleiter, 5 pädagogische Mitarbeiter, 4 Schulbegleiter als Stufenteam multiprofessionell zusammen.
Prof. Dr. Anne Sliwka nannte gleich zu Beginn des Webtalks die Ziele guter Schulbildung: Chancengerechtigkeit, Kompetenzentwicklung/Leistungsfähigkeit sowie Wohlbefinden und Persönlichkeitsentwicklung der Schüler*innen. „Frühkindliche Bildung ist ganz wichtig. Je früher die Kinder an Bildung wie zum Beispiel Sprache oder Mathematik herangeführt werden, desto besser können sie später darauf aufbauen“, erklärte Sliwka. So sollten in der Kita und in der Grundschule schon ganz gezielt Bildungsdisparitäten aufgefangen werden. Gerade Deutsch und Mathematik seien Schlüsselqualifikationen für späteres Lernen, so die Bildungswissenschaftlerin. Als Problem sehe Sliwka, dass es in der frühkindlichen Bildung kein verbindliches Qualitätsmanagement gäbe. „In den Schulen brauchen wir digitale Lernstandsdiagnostik um die individuelle Förderung der Schüler*innen passgenauer zu gestalten“, betonte Sliwka. In Kanada wird dies bereits erfolgreich eingesetzt. So könne man die Kinder punktuell in Gruppen aufteilen, um sie besser zu fördern. Sie sagte weiter, dass es ganz bedeutend sei, dass die Grundschulen alle Kinder mit guten Deutsch- und Mathekenntnissen entlassen würden.
Dann kam die Bildungswissenschaftlerin auf das Deeper Learning Konzept im Kontext der Schule des 21. Jahrhunderts zu sprechen. Dabei eignen sich die Schüler*innen über Vorträge, dies können auch Lernvideos sein, zunächst Wissen an, das sie dann anschließend in Kleingruppen so anwenden, dass gemeinsam kreative und Leistungen und Problemlösungen erarbeitet werden. Die Schulentwicklung der Einzelschulen könne durch die Bereitstellung von Daten, auf deren Grundlage sich Schulen Entwicklungsziele setzen, unterstützt werden. Die kooperative Professionalität der Lehrkräfte und multiprofessionelle Teams an Schulen hätten eine positive Wirkung auf das Lernen und kämen den Schüler*innen sehr zu Gute. Digitalisierung ermögliche eine verbesserte Diagnostik und Förderung. Als letzten wichtigen Punkt nannte Sliwka die sozialindexbasierte Schulfinanzierung. Dabei würden die Schulen in schwieriger sozialer Lage mit zusätzlichen Personal unterstützt, um die besondere Herausforderungen an der Schule wirksam bearbeiten zu können.
Nach dem Input von Prof. Anne Sliwka wurde das Wort an Volker Arntz von der Hardtschule Durmersheim übergeben. „In vielen Schulen werde immer noch nach alten Paradigmen gelehrt. Hierbei steht das Lehren und Prüfen vor dem Lernen. Noten spielen dabei eine zentrale Rolle“, äußerte Arntz. Nicht so bei der Hardtschule in Durmersheim. „Bei uns steht das Lernen im Mittelpunkt. Die Kinder lernen überall und dürfen in ihrem individuellen Lerntempo lernen. Es wird gelernt, was später in der Praxis relevant ist. Die Kinder dürfen flüstern, um so auch miteinander und voneinander zu lernen. Digitale Transmitter sind wichtig für individuelles Lernen“, erklärte Volker Arntz. Mittels einer Learnscape, einer Lernplattform, haben die Schüler*innen Zugriff auf verschiedene Lernpakete für selbstgesteuertes Lernen. Damit eignen sie sich Ankerwissen an, über dieses sie später mit ihrem Lernbegleiter sprechen sollen. Danach folgt ein Kompetenzcheck. Daneben führen die Schüler ein Lerntagebuch. Das Ziel ist es den Kindern zu mehr und mehr eigenverantwortlichem Lernen zu verhelfen, so Arntz.
Die anschließende Diskussionsrunde mit den Zuhörer*innen zeigte, dass großes Interesse bei dem Thema bestehe. So war eine Frage nach der Finanzierung dieser Lernform. „Die Gemeinschaftsschule ist eine Schulform in Baden-Württemberg und erhält eine ähnliche Ausstattung für die individuelle Förderung wie alle anderen Schularten auch. Sie ist jedoch die einzige Schulart mit einem verbindlichen Ganztag, was für die Stundengestaltung mehr Möglichkeiten gibt “, sagte die Landtagsabgeordnete. Arntz stellte klar: „Die bisherigen Mittel reichen gerade so, wir brauchen für die neue Schulform neben mehr politischer Rückendeckung auch einen Entwicklungsrahmen für die Schulpolitik. Es fehle an Transformationswissen, Managementwissen in der Organisationsebene und Entwicklungsstrukturen.“ Auf die Frage wie es die Schulleitung geschafft habe, das Kollegium für diese Lernform zu motivieren, antwortete Volker Arntz: „Um die Lehrer*innen mitzunehmen, ist es wichtig Ihnen Zeit zu lassen. Dabei fördern die positiven Erfahrungswerte der Lehrer*innen mit der neuen Schulform das Interesse bei den Kolleg*innen.“ Sandra Boser betonte abschließend, dass es für die Zukunft wichtig sein wird, die Herausforderungen der Schulen im internationalen Vergleich aufzugreifen. „Der Austausch mit Wissenschaft und Praxis macht deutlich, wir haben erfolgreiche Konzepte, darauf können wir auch in Zukunft aufbauen und mit Maßnahmen flankieren.“
Der WebTalk ist online abrufbar auf dem YouTube-Kanal von Sandra Boser unter: