Sandra Boser im WebTalk mit Prof. Dr. Ralf Reussner vom KIT und Alexander Salomon MdL.
Auf Einladung der Wahlkreisabgeordneten und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Fraktion GRÜNE im Landtag, Sandra Boser, tauschten sich Prof. Dr. Reussner vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sowie dem FZI -Forschungszentrum Informatik und Alexander Salomon, Sprecher für Wissenschaft, Forschung und Kunst der Fraktion GRÜNE im Landtag von Baden-Württemberg zum Thema „Informatik für die Welt von morgen“ im WebTalk am 11.01.2021 aus. Schnell wurde klar, Künstliche Intelligenz (KI) ist eine riesige Chance für unsere Gesellschaft, allerdings hängt die Leistung von KI stark von den zur Verfügung stehenden Daten ab, was auch Gefahren bergen kann.
Mit großer Expertise und pädagogischem Gespür informierte Prof. Dr. Ralf Reussner im WebTalk zum Thema Künstliche Intelligenz unter dem Titel: „KI=Informatik=Digitalisierung?“. Im Vortrag wurde der Bogen geschlagen von der zunehmenden Bedeutung der KI über die verschiedenen Hypes, die sie im Laufe der letzten Jahre durchlief bis hin zu den Chancen und Risiken, die in der neuen Technologie für unsere Gesellschaft liegen. Prof. Dr. Ralf Reussner: „KI ist kein Zaubermittel, sie birgt riesige Chancen für die Datenverarbeitung, allerdings braucht es eine Art TÜV, damit eine wertekonforme Anwendung von großen Datenmengen gewährleistet werden kann.“ Der Skandal um „Cambridge Analytica“, den Reussner als „Diesel-Affäre der Informatik“ bezeichnete, zeigt dringenden Regulationsbedarf. So Reussner weiterhin: „Maschinelles Lernen hängt stark von der Qualität der Daten ab und die kommen von Menschen.“ Anhand von Beispielen veranschaulichte er, dass ein selbstlernender Algorithmus bei KI-Anwendungen, der mit einseitigen Daten gespeist wurde, Schieflagen in der Auswertung aufweist. Zum Beispiel kann es bei einer KI-gestützten Auswertung von Bewerbungen zu einer Diskriminierung von Frauen kommen, da die eingespeisten historischen Daten dies begünstigten.
Zum Abschluss seines Vortrages formulierte Ralf Reussner, was es in Zukunft braucht, um KI erfolgreich einzusetzen: Zum einen eine Pluralität von Informatikmethoden zur Informationsverarbeitung für eine höhere Ressourceneffizienz in Gebieten wie Energie, Mobilität, Verkehr und Gesundheit, etc. und zum anderen eine abgestimmte Förderpolitik für die Informatik, eine flächendeckende Breitbandförderung im Land sowie eine belastbare Regulation vonseiten der Politik für KI und soziale Netzwerke.

Im Anschluss an den Vortrag informierte Alexander Salomon MdL die Zuschauerinnen und Zuschauer des WebTalks darüber, wie das Land Baden-Württemberg das Thema KI politisch bearbeitet: „Um einen Top-KI-Standort zu schaffen fördert das Land das Cyber-Valley Stuttgart-Tübingen. Dort findet wichtige Grundlagenwissenschaft statt.
Auch der Bereich Wissenschaft und Bildung muss in Bezug auf Informatik gestärkt werden, so haben wir bereits zusätzliche Studienplätze im Bereich Informatik geschaffen. Informatik muss auch in der Schule gefördert und Vorurteile abgeschafft werden um insbesondere mehr Mädchen und junge Frauen für den Bereich zu begeistern. KI ist eine Leuchtturm-Wissenschaft, da brauchen wir alle klugen Köpfe im Land.“ Sandra Boser pflichtete ihren Vorrednern bei und ergänzte den Blick auf die Unternehmen und Schulen im Land: „Wir haben in Baden-Württemberg das Glück, dass viele kleine und mittelständige Unternehmen in der Forschung und Entwicklung aktiv sind. Auch die Hochschulen in der angewandten Wissenschaft sind bei uns im Land in den Bereichen der modernen Technologien gut aufgestellt. Das möchten wir vom Land weiterhin unterstützen auch mit Blick auf Förderungen für Unternehmen, damit diese Ihren Beitrag zur Forschung und Innovation in Baden-Württemberg leisten können. Beim Thema Bildung finde ich es wichtig, dass IMP (Informatik, Mathematik und Physik) als Profilfach an den Gymnasien und Gemeinschaftsschulen mehr an Bedeutung gewinnt.“
In der zweiten Hälfte des WebTalks wurden Fragen aus dem Publikum beantwortet, die auf die Themen Digitalisierung der Schulen und Regulierung von Software und KI abzielten. Hier war sich die Expertenrunde einig: Es braucht eine gesellschaftliche Debatte darüber, wie die neue Technik im Rahmen ethischer Grundsätze reguliert werden kann, um einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag zur Digitalisierung leisten zu können. Außerdem braucht es mehr Grundlagenwissen über Informatik bereits in der Schule sowie eine bessere digitale Ausstattung. Sandra Boser: „Es geht nicht darum Bücher gegen Tablets einzutauschen, sondern darum, das Wissen über technisches Denken über algorithmisches Denken bei den Schüler*innen zu stärken. Der Zeitpunkt ist jetzt. Wir können Bildungspläne nicht mehr für zehn Jahre planen. Die Welt dreht sich schneller. Es braucht jetzt eine flächendeckende Ausstattung mit Endgeräten und gute und belastbare Software an den Schulen.“ Ein weiteres Gesprächsthema war die Ethik in der KI. Auf eine Frage hierzu antwortete Ralf Reussner mit einem anschaulichen Beispiel was KI leisten kann und wo die Grenzen liegen: „Selbstfahrende Autos werden die Verkehrssicherheit in Zukunft erhöhen, allerdings braucht es eine ethische Debatte darüber, wie ein Auto in der Unfall-Situation entscheidet und wer dafür haftbar gemacht werden kann. Eine Software ist als Institution zu werten, die Vorgänge aus dem realen Leben abbildet. Man muss sich darüber einig sein, was man abbilden möchte. Das kann aus ethischer Sicht nur ein Parlament entscheiden, das kann man nicht den Unternehmen überlassen.“ Alexander Salomon ergänzte: „Es soll keine Machtkonzentration durch Informatik und KI geben, sondern die Informatik bietet die Möglichkeit die Situation für den Einzelnen und die Gesellschaft zu verbessern, da setzen wir an.“ „Baden-Württemberg ist im europäischen Vergleich Spitze bei Forschung und Entwicklung, dies wollen wir auch in Zukunft sein. Um Forschung und Entwicklung mehr Innovationsmöglichkeiten zu geben, kann das Zusammenspiel von Unternehmen, Hochschulen und Forschenden eine weitere Chance sein.“ so die Abgeordnete Boser abschließend.